Oft werden wir Segelflieger hier im Taunus gefragt, wie hoch man mit einem Segelflugzeug steigen kann. Die Antwort darauf ist nicht ganz einfach. In unserer Region lassen die Wetterbedingungen nur selten Steighöhen von mehr als 2000 m über Meereshöhe (NN) für Segelflugzeuge zu. Der Höhenweltrekord im Segelflug, der allerdings mit speziellen Flugzeugen und besonderer Ausrüstung erflogen wurde, liegt dagegen bei sagenhaften 15.447 m.

Nicht diese Rekordhöhe, aber wesentlich größere Steighöhen als in unserer Region erreichen Segelflugzeuge in Gebirgsregionen. Und das liegt an den dort herrschenden Bedingungen für den Segelflug. Anders als hier im Taunus sind auch die Eindrücke der Piloten und der eventuell mit fliegenden Begleiter vom Blick in die überflogene Landschaft. Und deshalb gibt es auch im SFC Riedelbach Piloten, die sich jedes Jahr mit Flugzeugen des Vereins oder mit eigenen Flugzeugen auf den Weg in den alpinen Süden machen. Meist werden diese Exkursionen im Frühjahr oder im Herbst gestartet, wenn die Thermik hierzulande noch nicht oder nicht mehr so gut ist. Ziele sind u. a. Mauterndorf und Lienz in Österreich, Aosta in Italien, Serres und Gap in Südfrankreich und SanVittore in der Schweiz.

Flüge im Gebirge setzen neben entsprechenden Erfahrungen auch besondere Vorbereitungen und Zusatzausrüstung voraus. Dazu gehört auch geeignetes Kartenmaterial, das jeder Pilot mit seinen Hinweisen und Markierungen versieht und sich dabei besonders Außenlandefelder einprägt, deren Kenntnis im Gebirge erhöhte Wichtigkeit hat. Soweit im Flugzeug ein Bordcomputer mitgeführt wird, werden diese Daten dort eingespeichert. Notwendig für die zu erwartenden Höhenflüge sind auch Sauerstoffanlagen, die eingebaut und betriebsbereit gemacht werden müssen. Schließlich ist auch geeignete warme Kleidung mitzunehmen, denn der Temperaturrückgang mit zunehmender Höhe ist ja bekannt.

Die meteorologischen Gegebenheiten im Gebirge unterscheiden sich von denen im Flachland deutlich:

  • die Thermik ist wegen der höheren Sonneneinstrahlung meist kräftiger, aber auch weniger großflächig, es muss also enger gekreist werden,
  • entsprechend Windstärke und –richtung ergeben sich an Gebirgshängen kräftige Hangaufwinde, die zusätzlich zum thermischen Aufwind genutzt werden können, aber auch Abwindgebiete in den Leeseiten, die es zu vermeiden gilt,
  • besonders bei Starkwind treten laminare Wellenströmungen mit heftigen Turbulenzen in rotierender Luft (Rotoren) auf, die ein Segelflugzeug in Höhen von mehreren Tausend Metern tragen können.

Diese Besonderheiten erfordern fliegerische Fertigkeiten, die nur durch entsprechendes Training erworben werden können. Das Einhalten der Fahrt des Segelflugzeugs bei Turbulenz und einem sich ständig ändernden Horizontbild will gelernt sein. Gleiches gilt für das Erkennen der aktuellen Windrichtung und der sich daraus im jeweiligen Gebirgsgelände ergebenden Möglichkeit für den Hangflug. Daß wegen der kräftigen Turbulenzen mit erhöhten Fahrtreserven geflogen werden muß, merkt auch der Neuling im Gebirgsflug meist schnell.

Nach diesen einleitenden Erklärungen und Hinweisen möchte ich nun von einem Flugtag in Serres berichten, der zu einer mehrtägigen fliegerischen Exkursion gehört, zu der Anselm Keil und ich mit der DG 1000 des Vereins von Riedelbach aus aufgebrochen waren. Gleichzeitig mit uns war auch Günter Ambrosius mit seiner ASW 28 angekommen. Gemeinsam wollten wir uns im Alpenflug üben und die grandiosen Eindrücke der Gebirgslandschaft aus dem Cockpit der Segelflugzeuge genießen.

Ich beginne meinen Bericht mit dem Frühstück an dem Tag, von dem ich berichte, denn eine gute Ernährung ist eine weitere wichtige Voraussetzung, um einen Flug, der auch schon mal einen ganzen Tag dauern kann, in guter körperlicher Verfassung zu erleben. Am Anfang jedes Flugtages, nach dem Frühstück, steht das Aufrüsten der Flugzeuge, die über Nacht in den Hängern geschützt werden. Um 10 Uhr findet üblicherweise das Briefing am Flugplatz in Serres statt, zu dem Weltmeister Klaus Ohlmann einlädt, der mit seinem Team den Flugplatz betreibt. Klaus erläutert die meteorologischen Gegebenheiten des Tages und zeigt auf, was am jeweiligen Tag fliegerisch machbar sein könnte.

Flightlevel 195Die Aussichten waren an diesem Tag gut, und nach dem Briefing machten wir unsere Flugzeuge startklar und schoben sie zum Start, um uns der langen Reihe der bereits wartenden Flugzeuge anzuschließen. Aber es dauert nicht lange. Der routinierte Pilot des Schleppflugzeugs arbeitet effizient und schnell hängen wir mit unserer DG 1000 am Schleppseil und sind schon in der Luft. Der Wind blies an diesem Tag direkt auf den Hang des Arambre, dem Hausberg von Serres, und das Schleppflugzeug bringt uns in die richtige Ausgangsposition. In nur 350 m Höhe über Platz und bei 6 m/s Steigen auf dem Variometer klinke ich das Schleppseil aus, und wir gleiten mit immer noch 5 m/s im Hangaufwind des Arambre aufwärts. Aber ebenso schnell nähert sich auch der Grat des Arambre. Was tun? Der Hangaufwind wird am Grat schnell abnehmen und von Thermik ist keine Spur zu bemerken. Anselm, der mit mir gemeinsam nach Möglichkeiten zum weiteren Aufstieg Ausschau hält, verkündet, dass er Günters ASW 28 einige hundert Meter über uns im Geradeausflug beobachtet. Günter war nur kurz vor uns gestartet. Wie ist er nur auf diese Höhe gekommen? Wir probieren dies und das, aber ohne Höhengewinn. Dann jedoch, das Variometer zeigt ein schwaches, aber gleichmäßiges Steigen im Geradeausflug, gewinnen wir neue Hoffnung. Wir probieren weiter, allmählich nimmt das Steigen zu. Das könnte der Einstieg in eine Strömungswelle werden. Wir steigen weiter und durchsteigen 3.000 m. Anselm macht die Sauerstoffanlage betriebsbereit, wir legen die Atemstücke der Sauerstoffversorgung an. Wie im Fahrstuhl geht es weiter noch oben. Wir sind in einer Welle. Unsere Anspannung lässt nach, wir beginnen die Gebirgslandschaft zu betrachten. Immer höher trägt uns die Welle. Wir beschließen, mit der gewonnenen Höhe weiter vor zufliegen. Nach ca. 11 Km treffen wir auf die nächste Welle. Doch, ein Blick auf den Höhenmesser und auf den Bordcomputer zeigt: 6.000 m oder Flight Level 195. Die Welle würde uns noch weiter heben, aber wir dürfen nicht weiter steigen. Der Luftraum oberhalb von Flight Level 195 ist der Verkehrsfliegerei im Instrumentenflug vorbehalten. Wir sind an der größten erlaubten Höhe für ein Segelflugzeug angekommen.

Wir verlassen die Welle und beginnen aus der sicheren Höhe die Umgebung zu erkunden.

Hin und wieder tanken wir Höhe nach. Nach sechs Stunden sind wir, trotz warmer Kleidung, ordentlich durchgefroren, - das Außenthermometer zeigt minus 25 ° C. Also entschließen wir uns abzusteigen und zu landen.

Kurze Zeit nach uns landen auch Günter und die anderen Flieger, die an diesem Tag von Serres aus gestartet waren. Gemeinsam rüsten wir die Maschinen ab. Später, beim Abendessen, bei Bier und Wein, zusammen mit den anderen, tauchen die Ereignisse des Tages wieder auf, werden erneut dargestellt, miteinander verknüpft, kommentiert und belacht, mit früheren Flügen verbunden, nicht weniger klar als beim Blick aus dem Segelflugzeug, aber bei angenehmer Temperatur in der Wirtstube. Morgen kommt ein weiterer Tag in Serres. Er wird bereits erwartet.

Jochim Lübbers